Krieg in Medien. Medien im Krieg

Titel: Krieg in Medien. Medien im Krieg
Thema: Bei der internationalen Begegnung in Novi Sad/ Serbien ging es um die Rolle der Medien während der Balkankonflikte der 1990er Jahren. Es wurden verschiedene Medien wie z.B. Film, Zeitungen oder Nachrichten analysiert. Bei den Begegnungen wurde mit Zeitzeug:innen gesprochen, so z.B. mit Journalist:innen oder ehemaligen Soldaten, die im Krieg involviert waren.
Art: internationale Begegnungen in Potsdam & Novi Sad (Serbien)
Jahr: 2009/2010
Zeitraum: September 2009 – Juni 2010
Teilnehmer:innen: ca. 30 junge Erwachsene aus Berlin/Brandenburg und Serbien
Sprache: Englisch (Deutsch und Serbisch)
Material: PDF-Broschüre in Deutsch/Englisch (Link siehe unten); Bestellung der gedruckten Broschüren ist auf Anfrage möglich.

Auszüge aus der deutsch-englischen und reich bebilderten Projektbroschüre, die hier auch komplett als PDF runtergeladen werden kann: Broschüre_Krieg in Medien - Medien im Krieg

Das Projekt

„Wie Freunde ‚über Nacht‘ zu Feinden werden“ erforschte die Rolle von Medien im Zusammenhang mit den Jugoslawienkonflikten in den 1990erJahren. Untersucht wurden die Ursachen und Folgen der Konflikte, die Wirkung von Medien & Propaganda (in Deutschland & Serbien), die Zusammenhänge zwischen Bild - Film - Sprache - Krieg und Medien, sowie Projekte, die sich mit den Themen Propaganda, Medien und Krieg auseinandersetzen.

Deutsche und serbische Jugendliche erforschten zusammen dieses Kapitel der gemeinsamen Geschichte. Offen und kritisch haben sich die Jugendlichen über sehr unterschiedliche Perspektiven in Europa bezüglich der Konfliktzeit ausgetauscht.

In serbisch-deutschen Projekt-Teams wurden Manipulationstechniken in folgenden Medien untersucht: in Zeitungen, in Bildmedien, in Film/ Videomedien. Außerdem wurde sich mit folgenden Themen beschäftigt: die Rolle der verschiedenen Kriegsteilnehmer und der Berichterstatter; die Rolle von Sprache (in Medien); die Rolle des Fußballs, von Musik und von Schulbüchern im Konfliktzusammenhang.

Von September 2009 bis Juni 2010 arbeiteten die Projekt-Gruppen an dem Projekt. Zwei 12-tägige Begegnungen in Potsdam (Oktober 2009) und Novi Sad (April 2010) dienten der intensiven Projektarbeit. Im Ergebnis sind eine umfangreiche Materialsammlung, diese Broschüre, eine Internet-Plattform und Filmmaterial entstanden.

Projektfragen

Folgende Fragen wurden während der Recherchen untersucht:

  • Welche Ursachen, Anlässe und Folgen hatten die Konflikte der 90ger auf dem Balkan?

  • Welche Bedingungen führten zu den Konflikten?

  • Welche Rolle spielten Medien bei der Meinungsbildung?

  • Wie funktionieren Propaganda und Manipulation?

  • Welche Methoden der (Kriegs-) Propaganda wurden in verschiedenen Medien benutzt und lassen sich hierfür konkrete Beispiele finden?

  • Welche konkreten Freund- & Feinbilder wurden in den Medien verbreitet?

  • In welcher Tradition stehen die in der Propaganda der 90er Jahre verwandten Stereotype?

  • Wer ist für die spezifische Medienpropaganda in den 90er verantwortlich?

  • Welche Projekte setzen sich kritisch mit der Rolle der Medien in den 90ern auseinander?

Vorwort

Der jüngste Kriegskonflikt in Europa prägte ca. 10 Jahre lang die Balkanregion. Er begann nach regionalen Konflikten ab Mitte der 80er Jahre im Kosovo 1991 mit dem Slowenienkrieg, setzte sich mit dem Krieg in Kroatien von 1991 bis 1995 und in Bosnien von 1992 bis 1995 fort und endete 1999 im Kosovo mit der NATO-Intervention.

Wer als aufmerksame/r TouristIn oder ProjektteilnehmerIn heute in den Balkanländern reist, begegnet den Folgen des Krieges immer noch überall. Neben Zerstörung sind vor allem die Traumatisierung vieler Menschen und immer noch vorhandene Feindbilder überall präsent.

Dennoch wird kaum über die Konflikte gesprochen. Weder öffentlich noch in Familien oder zwischen den Generationen. Die Vergangenheit ist wenig aufgearbeitet. Jugendliche, die in den Kriegsjahren geboren sind, wissen sehr wenig über die Konfliktzeit. In der Schule ist dieses wichtige Kapitel der Geschichte kaum ein Thema. Lehrbücher verarbeiten es nur auf wenigen Seiten.

Jedes Nachbarland hat seine „eigene Version“ des Konfliktes, bis heute werden alte Feindbilder auch in der Schule reproduziert. In Deutschland ist es ähnlich. Jeder junge Mensch älter als fünfzehn Jahre kann sich irgendwie an Kriegsbilder aus dem ehemaligen Jugoslawien erinnern. Flüchtlingsbilder, Personennamen wie Milošević und Karadžić, Fotos aus dem zerstörten Sarajevo, Ortsnamen wie Srebrenica, Begriffe wie „Hufeisenplan“, NATO-Luftangriffsvideos, uvm. sind als schwache Bilder im Gedächtnis.

Aber kaum jemand kann sie einordnen, verstehen oder erklären. Obwohl Deutschland als Teil der NATO intensiv in das Kriegsgeschehen involviert war und es öffentlich diskutiert wurde, kann sich kaum jemand an Ursachen und Folgen der Konflikte auf dem Balkan erinnern. Zehn Jahre nach den Konflikten ist Deutschlands Rolle darin kein Thema mehr. Auch nicht an deutschen Schulen.

Jede/r die/der das Bild vom schönen friedlichen Urlaubsland Jugoslawien im Kopf hat, fragt sich, wie es zu solch drastischen Konflikten kommen konnte. Wer sich damit beschäftigt, stößt schnell auf dominierende scheinbar einfache Erklärungsmuster und einseitige Schuldzuweisungen, Erklärungen die der Komplexität nicht gerecht werden.

Auch wenn in einigen wenigen Fällen Medienskandale kritisch diskutiert wurden, ist kaum jemandem bekannt und bewusst, welche Rolle diverse Medien im Konfliktgeschehen gespielt haben, mit welchen Mitteln Medien die öffentliche Meinung beeinflusst haben, wie Meinungsbilder manipuliert wurden, welche Interessen dahinter steckten und wer die Verantwortlichen dafür waren und sind. Kaum jemandem ist klar, dass und wie mit medialen Mitteln die Konflikte verstärkt wurden.

Alle diesen Fragen wollte das Projekt auf den Grund gehen.

Ergebnisübersicht

Die Geschichte der Balkankonflikte ist ein überaus komplexes und schwieriges Thema. Das Projekt hat sich daher vorwiegend mit der Rolle der Medien ausführlicher beschäftigt. Zehn Unterthemen wurden intensiver bearbeitet und werden in dieser Broschüre vorgestellt.

Es gibt sehr viel unterschiedliche Perspektiven auf die Konfliktzeit. Sich einen Überblick über Hintergründe, Ursachentheorien und die Konfliktverantwortlichen zu verschaffen, war/ ist ein wichtiger Prozess, um sich der Realität zu nähern. Schwierig erschließbar sind natürlich im Nachhinein die Hintergründe der Konfliktentstehung in den Vor-/Neunzigern, d.h. die Lebensrealität der Menschen, die Alltags-Atmosphäre, welche Umstände zu den Konflikten führten, wie die Kriegsrealität aussah, wie die Menschen im Kriegsgebiet lebten.

Das Projekt konnte sich diesen Hintergründen annähern. Es wurde authentisches Videomaterial gesichtet, verarbeitende Spielfilme angeschaut, diskutiert welche Rolle Musik und Fußball in der Zeit spielten; Zeitzeugen haben aus den 90ern berichtet und ein Kriegsveteran vom Leben in den Kriegsjahren an der Front. Viele Kriegsjournalisten, Medienmitarbeiter und Veteranen unterstrichen: im Krieg stirbt als erstes die Wahrheit. In vielen Punkten ist es unmöglich EINE Wahrheit herauszufinden.

Das Projekt hat viele Perspektiven beleuchtet, Menschen mit unterschiedlichem Kontext haben ihre Wahrnehmungen geschildert – auch sehr kontroverse Positionen. Das Projekt dokumentiert, wie diese Wahrnehmung durch Medien beeinflusst wurde. Deutlich ist geworden: alle einseitigen Erklärungsmuster zur Erklärung dieser Konflikte funktionieren nicht. Bilder z.B. vom allein verantwortlichen skrupellosen Diktator Slobodan Milosevic beschreiben nicht annähern ausreichend die Ursachen.

Sehr viele Personen und Interessengruppen aller Konfliktseiten - nicht nur in den Balkanländern - haben diese Konflikte verursacht und verstärkt, von politischen Entscheidungsträgern, alltagsrassistischen Bürgern, über (Para-) Militärs, Medienmitarbeiter, bis hin zum Feldreporter – alle hatten ihren wesentlichen Anteil. Im Fokus des Projektes stand die Rolle der Medien im Konfliktgeschehen.

Und auch hier ist die Funktion diverser Medien sehr komplex. Verschiedene Arbeitsgruppen haben daher die Rolle von Sprache, Zeitungs-, Bild-, Film- und Musikmedien untersucht. Markantes Ergebnis ist, dass durch ALLE Formen von Medien intensivst die Konflikte verstärkt wurden. Das Projekt stellt dar, mit welchen Mitteln konkret.

Manipulation

(von Manon Stapel und Maxie Jost)

Die Broschüre zeigt, wie Manipulation in Medien während der Jugoslawienkonflikte angewandt wurde.

Manipulation ist eine Technik, die dazu dient, Menschen fremdbestimmt im Sinne des Manipulators handeln zu lassen - oft zum Nachteil der manipulierten Person.

Mediale Propaganda wird unterschieden in zwei Ebenen: direkte und indirekte. Direkte Manipulation wirkt durch das persönliche Beeinflussen im direkten Kontakt durch eine unterschwellige Verflechtung von verschiedenen Manipulationstechniken im Gespräch (z.B. Scheinargumente, Fehlinformationen, Drohungen). Die indirekte Manipulation wird durch Nachrichten, Werbung, Plakate usw. übertragen. Die Botschaft kann beliebig oft und kontrolliert an vielen Orten gestreut werden. Wichtig dabei - der Manipulator tritt nicht merklich in Erscheinung, d.h. mit der Zielpersonen nicht in Kontakt. So werden z.B logische Diskussionen (und Gegenargumente) unterbunden.

Kontrollierte Manipulation, beispielsweise Propaganda, sucht und/oder schafft folgende Voraussetzungen:

  1. eine Situation der Instabilität und Unsicherheit, die durch das Vorschlagen vermeintlich sicherer Lösungen missbraucht werden kann.

  2. einen Zustand der Unwissenheit: Manipulation bleibt unerkannt und widerstandslos.

  3. hierarchische Strukturen: selbständiges Handeln ist nicht erwünscht.

Manipulationen laufen oft in mehreren Phasen ab:

Der erste Schritt besteht darin, viel Aufmerksamkeit zu gewinnen: durch Provozieren, Verwirren, Überlegenheit demonstrieren; der eigene Standpunkt wird mehrfach betont.

Im zweiten Schritt wird das allgemeine Problem in Zusammenhang zum persönlichen Leben der manipulierten Person gesetzt und erreicht dadurch individuelles Interesse. Versprechungen (Vorteile) dienen dazu, Menschen zu binden und sie in Abhängigkeit zu bringen. Verbundenheit und Seriosität werden suggeriert. Fragen werden mit einbezogen, um Vertrauen zu gewinnen.

Im dritten Schritt werden z.B. durch Drohungen und Einschüchterung Ängste hervorgerufen (z.B. Schaffen von Feindbildern durch Hassreden). Das ist eine wichtige Grundlage für das Akzeptieren vorgesetzter Lösungen und die Schaffung realer oder konstruierter Bedürfnisse und Wünsche (z.B. Sicherheit).

Im vierten Schritt wird aktiv zur Handlung aufgefordert, nachdem die manipulierten Menschen die Meinung des Manipulators übernommen haben und nicht mehr wirklich autonom handeln. Die Anhäufung dieser Methoden mobilisiert Menschen.

Manipulatoren ZWINGEN entweder zu folgen, um die vorgegebene Lösung zu erreichen, oder durch Suggestion gelingt es, Personen glauben zu lassen, die gewünschten Aktionen wären ihre eigenen Interessen. Menschen werden ausgenutzt, weil sie sich in einem Zustand der Bedrohung, Pflichtbewusstsein und gegenseitiger Abhängigkeit befinden.

Sprache und Krieg

Medien als Manipulations-Instrument: (Hanna Blank)

Medien allein können keinen Krieg hervorrufen, aber ihre systematische Manipulation spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle in Strategien verschiedener Machthaber. Um die Unterstützung der Öffentlichkeit für verschiedene politische Ziele zu erhalten, benutzen einflussreiche Medien verschiedene Techniken, um Hass zu schüren.

Dies beinhaltet propagandistische Mittel, die Rechtfertigung von Gewalttaten und die Anstachelung von Verbrechen an sozialen Gruppen & Individuen basierend auf Merkmalszuschreibungen wie Rasse, Hautfarbe, Religion, Nationalität, Gender oder sexueller Orientierung. Zudem schließt es die Propagierung der Idee einer Über-/Unterlegenheit einer sozialen Gruppe oder ihren Mitgliedern ein.

Die allgemeine Kriegs- und Konflikt ablehnende Position der Gesellschaft kann durch verschiedene Mittel verändert werden. Zuallererst muss die Gesellschaft überzeugt werden, dass der Konflikt durch den Feind initiiert wurde, und so akzeptiert werden muss.

Dieser Logik folgend vermittelten die Mainstream-Medien in allen Ex-jugoslawischen Staaten den Eindruck, dass ihre jeweilige Seite nie attackiert, sich selbst nur verteidigt und auf feindliche Angriffe und Verbrechen der anderen Seite reagiert. Im Rahmen dieses Diskurses wurden die serbischen Truppen in den Medien als „Verteidiger“ und simultan „Befreier“ bezeichnet.

Beispiele für derartige Manipulationen existieren auch in westlichen Medien. Während des Kosovo-Konflikts 1999 folgte die mediale Argumentation dem Muster: Weil der Feind unsere Macht verachtet und unterschätzt, sind wir gezwungen diese zu demonstrieren. In dieser Weise beschuldigte ‚westliche Propaganda‘ Jugoslawien die NATO provoziert und sie zu einer militärischen Reaktion gedrängt zu haben.

Ein weiterer wichtiger Punkt für die Mobilisierung der Unterstützung durch die Bevölkerung ist das Schüren von Angst. Mit der permanenten Wiederholung der Bedrohung durch den Feind will Propaganda ein Klima schaffen, dass die Menschen in ständiger Angst um ihre Unabhängigkeit, Ehre, Freiheit und auch um ihr Leben hält. Typisch für propagandistische Methoden ist die Verwendung von feindlichen Stereotypen, Methoden der Dämonisierung und Dehumanisierung sowie die Einteilung in moralische Kategorien: Gut (wir) vs. Schlecht (der Feind).

Die serbische Nachrichtenagentur „Tanjug“ benutze 1992 polemische Formulierungen für die bewaffneten Truppen der bosnischen Regierung: wie „paramilitärische Organisationen“; „mujahidin“, „Extremisten“; „muslimisch-kroatische Truppen“.

Serbische Truppen wurden von anderer Seite hingegen als „Serbische Terroristen“ oder auch als „Serbisch-kommunistische Besatzungsarmee“ bezeichnet.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Medien während der 90er Jahre als ein Unterdrückungsmittel genutzt wurden und Gewalt zur Verwirklichung nationaler Ziele hierdurch legitimiert und gerechtfertigt wurde. Durch die gezielte Angsterzeugung und Manipulierung sollte öffentliche Unterstützung für kriegstreibende Politik erlangt werden.

Zeitung und Krieg

Die folgende Analyse untersucht ZEITUNGS-Medien auf die Darstellung des Jugoslawienkonfliktes der 90er Jahre und Formen medialer Propaganda. Der untersuchte Zeitraum konzentriert sich auf den Kosovo-Konflikt, konkret vom 1. bis zum 30. April 1999. Ausgewertet wurden deutsche und serbische Zeitungen unterschiedlichen Genres: “Dnevnik” und “Potsdamer Neueste Nachrichten” als Regionalzeitungen, „Morgenpost“ und “Blic” als (tendenziös) ‚Boulevardpresse‘‚ und die “Welt” als überregionale Presse.

Vergleichend wurden folgende Aspekte untersucht: Wie wurden die eigene Gruppe, (eigene) Opfer, Gegner (z.B. NATO ua.) benannt? Wie wurden Kriegsereignisse beschrieben und die Schuldfrage behandelt? Welche formalen Besonderheiten gab es?

In Serbien spielten Zeitungen bei der Beeinflussung der öffentlichen Meinung eine sehr wichtige Rolle. Auch wenn die Auflagenzahlen in den ersten Konfliktjahren um ¾ stark reduziert wurden, waren die wenigen, offiziellen Zeitungen vor allem nach der Zerstörung der TV-Stationen und Radio-Sender für Soldaten und die Zivilbevölkerung oft über Monate das einzig zugängliche Medium.

Die zentralen Zeitungen wurden durch das serbische Informationsministerium stark beeinflusst und kontrolliert. Es gab nur wenige unabhängige Zeitungen, die nach und nach stark eingeschränkt wurden. In fast allen serbischen Zeitungen dominierte die Regierungsperspektive. Es wurden zahlreiche mediale Mittel zur Manipulation benutzt, um Feindbilder zu schaffen und zu verbreiten, eigene problematische Positionen zu verbergen, oder für den Krieg zu begeistern. Häufig benutzte Methoden waren dabei

  1. eine klare Feinbild(re)produktion („Wir“ und „Sie“);

  2. die Ursachen (und Schuld) wurden ausschließlich dem ‘Gegner’ zugeschrieben;

  3. für Gegner (z.B. NATO) wurden häufig negative Zuschreibungen wie „Aggressor“ benutzt;

  4. aktuelle Ereignisse und Personen der gegnerischen Konfliktpartei wurden mit Attributen der NS-Zeit versehen;

  5. Bilder eigener Kriegsopfer dominierten und wurden auf besonders grausame Art und Weise präsentiert uvm.

Die deutsche Zeitungslandschaft war in der Gesamtheit differenzierter in ihrer Berichterstattung. Auch wegen der kontroversen öffentlichen Debatte in Deutschland um den Nato-Einsatz wurden viele Standpunkte dokumentiert, auch kritische, z.B. Fehler seitens der NATO (z.B. zivile Opfer). Kleinere Verlage griffen auf die Informationen weniger zentraler Nachrichtenagenturen zurück, Information waren daher nicht überprüfbar.

Leider sind in einigen, vor allem Regional- und ‘Boulevardzeitungen’ auch viele Fälle nicht-objektiver, sachfalscher und populistischer Berichterstattung dokumentiert. Die Analyseergebnisse zeigt ein ausführlicher Bericht auf der Projekthomepage.

Bild und Kriegsaufgaben

(Text von Rose Simon)

Medienmanipulationen agieren mit verschiedenen ‘Waffen’. Doch eine der gefährlichsten und mächtigsten unter ihnen ist die Bildmanipulation. Bilder scheinen objektiv zu sein, ein Bild gilt als Beweis für die Realität. Doch es gibt diverse Techniken, Bilder zu fälschen oder in den falschen Kontext zu stellen. An einigen Beispielen soll hier jedoch gezeigt werden, dass man Bildmanipulation erkennen kann, wenn man sich mit Medienmanipulation beschäftigt.

Die Arbeitsgruppe konzentrierte sich auf drei Dinge:

  1. bekannte Beispiele von Bildmanipulation z.B. in “Vecernje Novosti” (siehe unten);

  2. die Analyse der Titelseiten der Zeitung „Blic“ [„Blitz“] einer ‘Boulevardzeitung’ in Serbien vom April 1999; und

  3. Karikaturenanalyse.

Bildmanipulation war in den 90ger Jahren in Serbien alltäglich. So wurden oft einzelne Bildausschnitte verwendet, falsche Bildunterschriften geschrieben, Bilder bearbeitet, um die erdachte “Nachricht” glaubwürdiger zu machen. Bestimmte Motive wurden immer wieder gezeigt, die ‘Brutalität der Feinde’ wurde durch grausame Bilder unterstrichen, in Gegensatz dazu positive Bilder der eigenen Soldaten gestellt.

Dabei waren nicht immer Politiker die Auftraggeber, sondern auch Journalisten fälschten aus eigenem Antrieb Bilder, um eine gute “Story” zu veröffentlichen. Es sind sehr viele Fälle von Bildmanipulation bekannt, auch aus der Konfliktzeit auf dem Balkan, und es lassen sich Beispiele in Medien aller Konfliktparteien finden.

Das Bild aus der serbischen Zeitung „Večernje Novosti“ („Abendnachrichten“) vom 19.11.1994 (also während des Bosnienkrieges) formuliert folgendes als Bildunterschrift:

"Die größten Opfer des Krieges sind immer Kinder. So ist es auch im neusten Krieg, in dem das serbische Volk wieder um sein Überleben kämpft. Dieses Bild wurde auf einem Friedhof in der Nähe von Skelane aufgenommen, ein Junge trauert verzweifelt am Grab seines Vaters, seiner Mutter und dem Rest seiner Familie, die von Muslimen getötet wurden. Dieses Bild lässt alle frösteln, die wissen, was Leid von Kindern bedeutet. Inzwischen wurde der Junge von einer Familie aus Zvornik adoptiert und besucht die erste Klasse der weiterführenden Militärschule."

Doch schon bald fanden Journalisten der serbischen Onlinezeitung "e-novine" heraus, dass das "Foto" von dem Jungen eigentlich ein Gemälde des Malers Uroš Predić aus dem Jahr 1879 ist, das mit einem Bildbearbeitungsprogramm nachbearbeitet wurde. (rechts das Original) Dieses Beispiel zeigt, dass auch Zeitungen, die als seriös gelten, mit einfachsten Mitteln versuchten, Leser zu täuschen.

Mein Kampf 2“: Die Karikatur zieht Parallelen zwischen Clinton und Hitler. Clinton wird nicht nur auf eine Ebene mit Hitler gestellt, sondern auch als der grausamerer Nachfolger von Hitler dargestellt. Jeder kennt Hitlers Buch "Mein Kampf" und die rassistischen Theorien, die er in diesem Buch ausführt. In der Karikatur ist jedoch selbst Hitler schockiert, als er die erweiterte Version seines eigenen Werkes von Bill Clinton liest.

Diese Karikatur soll suggerieren, dass Amerikas Politik gegen Serbien schlimmer ist als es Hitlers Politik während des NS-Regimes in Deutschland war. Die Bombardierung Serbiens wird als faschistisch angesehen. Viele 'Feinde' waren in der serbischen Propaganda 'Faschisten', egal, ob Amerikaner oder Kroaten, die auch 'Ustascha' genannt wurden, wie das kroatisch-faschistische Regime im Zweiten Weltkrieg.

Bei der Analyse von Karikaturen in serbischen Zeitungen der 90ger Jahre war auffällig, dass viele einem bestimmten Muster folgen: Clinton, die NATO und die USA wurden mit Hitler, dem Dritten Reich und Faschismus verknüpft.

Der Vergleich zwischen Hitler und Clinton oder der Nato und der Wehrmacht scheint uns vielleicht nicht nachvollziehbar, weil die USA gegen Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg kämpften.

Das damalige Regime unter Milošević aber sah sich in der Tradition des Kampfes gegen den Faschismus in der Zeit des Zweiten Weltkriegs, in dem serbische Streitkräfte gegen das kroatisch-faschistische Regime kämpften.

Diese Vergleiche von ‚Feinden‘ mit Nazis wurden benutzt, um zum einen den ‚Gegner‘ zu dämonisieren und zum anderen Menschen zu motivieren, in der Tradition des Widerstandes gegen den Faschismus zu kämpfen oder militärische Handlungen zu unterstützen.

„Befriedigung der NATO“: Das Bild zeigt, wie alle Länder des Balkans, MK (Mazedonien), HR (Kroatien), H (Ungarn), BG (Bulgarien) und RO (Rumänien), sich an die NATO verkaufen. Sie tun alles, um die NATO als mächtigen Verbündeten zu gewinnen, auch wenn dies zutiefst demütigend ist. Albanien ist als erstes dargestellt (1999 brach der Kosovokrieg zwischen Serben und Albanern aus). Die Karikatur zeigt auf eine vulgäre Weise, dass Serbien der einzige Balkanstaat sei, der sich nicht für die NATO und die USA 'prostituiert'. All die anderen werden als kleine Zwerge in Anzug dargestellt, die alles zu geben scheinen, um diesen mächtigen Verbündeten zu gewinnen, sogar ihre letzte 'Ehre'. Der Karikaturist hat diese Darstellungsform gewählt, weil sie für jedermann einfach zu verstehen ist. Man erkennt sofort die gewünschte Botschaft, nämlich dass die anderen ‚Nationen‘ schwächer sind als die eigene. Es wird sehr stark vereinfacht, indem komplizierte politische Zusammenhänge auf ein Level mit sexuellen Beziehungen gesetzt werden.

Film und Krieg

Über die Balkan-Konflikte der 90er Jahre gibt es unzählige Dokumentationen. Eine Projektgruppe analysierte deren Medientechniken. Dokumentation haben den Ruf, objektiv eine Realität wiederzugeben, die Wahrheit zu zeigen. Das Projekt hat jedoch gezeigt, dass diese Annahme zu hinterfragen ist.

Kriegsthemen allgemein sind sehr anfällig für Manipulation & Instrumentalisierung - durch alle Konfliktparteien. Sie sind zudem interpretationsanfällig, da sie stark emotionsgeladen sind.

Auch den Geldfaktor darf man nicht ausblenden - ALLE Journalisten arbeiten im Interesse ihrer Geldquelle. Dass Dokumentationen oft lediglich eine ‚Schein-Objektivität‘ vermitteln, zeigt eine Analyse von medialen Mitteln, die (auch) in Dokumentationen benutzt werden:

Jede Dokumentation trifft wg. ihrer Kürze eine Auswahl aus der sehr komplexen Realität. Dieser Ausschnitt kann nur sehr beschränkt sein – wird aber oft als „ganze“ Realität präsentiert oder interpretiert. Es steht daher immer die Frage, warum der Autor welche Dinge auswählt und/oder auch AUSBLENDET.

Ebenso die gewählte Länge / Kürze des Gezeigten setzt oder verschiebt bestimmte Informations-Akzente. Auch die Strukturierung von (scheinbar sachlichen) Argumenten kann Positionen produzieren.

Je weniger Informationen es gibt, desto gewichtiger ist eine einzelne. Bei vielen (pro-)Argumenten wiegt EIN Gegenargument stärker. Gegenargumente werden z.B. in Sammelabhandlungen entschärft, eigenen Argumenten wird oft in längeren Ausführungen mehr Gewicht gegeben. ‚Wahrheiten‘ werden oft durch interviewte ‚Autoritäten‘ (scheinbar) untermauert. Oft werden jedoch ‚objektive‘ Pseudo-Experten benutzt, ohne dass Zuschauer genaue Hintergrundinformationen zu den Personen bekommen, oder ihr ‚Experten‘- Wissen überprüfen können.

Auch einführende (scheinbar) wahre / objektive Kommentare eines Sprechers prägen die Wahrnehmung nachfolgender Sequenzen im Sinne des Autors vor („briefing“).

Auch die Einblendung von Dokumenten, Grafiken und Zahlen soll Objektivität suggerieren. In der Geschwindigkeit des Videos und ohne Quellenangabe sind diese jedoch oft nicht überprüfbar. Die Verwendung bestimmter Musik / Soundeffekte erzeugt oder verstärkt bzw. schwächt bestimmte Stimmungen und Emotionen und prägt somit die Wahrnehmung unbemerkt (vor).

Schwieriger wahrnehmbare Mittel der Meinungsprägung sind das Einflechten von Ambivalenzen, z.B. Widersprüchen, offenen Fragen, Denkaufgaben, Zeigen von Unbekanntem und Andeutungen. Dadurch werden Denkprozesse angeregt (d.h. die ‚Suchmaschine‘ im Kopf aktiviert) - in diesem Zustand ist man für Indoktrination / Manipulation anfällig.

Viele Dokumentationen verwenden natürlich auch vorgeprägte ‚Logiken‘, Deutungen und Interpretationen (z.B. best. Feindbilder, Stereotype, (religiöse, politische, ethnische) Identitätskonzepte, oder die Logik der Schuldfrage), die das Verständnis komplexer Wahrheiten erschweren oder sogar verhindern. Die Kombination dieser Tools kann auch Dokumentationen zum Propagandamittel machen. (Text von der Filmgruppe)

Dokumentationen

Einige Beispiele für Dokumentationen über die Konfliktzeit der 90ger Jahre auf auf dem Balkan:

  • „The Death Of Yugoslavia“ / „Der Tod Jugoslawiens“ 1995 - GB (6 Teile)

  • „War for peace“ / „rat za mir“ / „Krieg für den Frieden“ (CR - 2003/4)

  • „Creation of the Republic of Serbian Krajina“ / „Schaffung der Republik Serbische Krajina“ (1990-1991 - YUG)

  • „Yugoslavia: The Avoidable War“ / „Jugoslawien: Vermeidbarer Krieg“ (1999 - USA)

  • „Es begann mit einer Lüge“ / „It began with a lie“ (2000 – GER)

  • „Nezavisni za istinu“ / „Independent for the truth“ (2000-2006 – Serbia)

  • „Vukovar - final cut“ / „Vukovar - der letzte Schnitt“ (SRB/CR - 2006)

  • „Serbia in a trash can“ / „Srbija u kontejneru“ (SRB - 2003)

Journalismus im Krieg

Während des Projektes wurden mehrere serbische Journalisten, die während der Balkankriege in unterschiedlichen Medien gearbeitet haben, zu ihren JournalismusErfahrungen während der 90ger Jahre befragt. Unter den Interviewten waren Journalisten, TV-Mitarbeiter und Kameramänner, die auch lange im Kriegsgebiet arbeiteten.

Die Interviewten berichteten über Arbeitsbedingungen, die „normalen“ objektiven Journalismus in der Zeit unmöglich machten. Die meisten Befragten waren der Ansicht, dass Journalisten nie objektiv berichten können, da sie immer von ihrem Kontext, ihrer Herkunft, ethnischen Zugehörigkeit, dem Druck der Arbeitgeber, ihrer eigenen Meinung, ihrer Angst und vielem mehr beeinflusst sind. Dies gilt besonders für die Situation des Krieges.

Alle waren der Ansicht, dass im Krieg die Wahrheit zuerst stirbt, eine objektive Berichterstattung nicht stattfand, nicht stattfinden konnte, nicht beabsichtigt war. In den 80er Jahren gab es in Serbien nur zwei TV Kanäle (TV Belgrad und TV Novi Sad), in Bosnien nur TV Sarajevo, in Kroatien nur TV Zagreb. D.h. es gab nur eingeschränkte zentralisierte Informationen. Der Krieg begann zuerst im Fernsehen. Kriegspropaganda war dort alltäglich und wurde vom Informationsministerium in Serbien bestimmt.

Es gab kein spezifisch vorgegebenes „Konzept“ für Kriegspropaganda, sie funktionierte jedoch nach immer wiederkehrenden Mustern: Feindbildkonstruktion, Dehumanisierung der Gegenseite, Identitätsbildung der eigenen Gruppe, Verschleierung eigener Kriegsverbrechen, Schuldzuweisung, Rechtfertigung der eigenen kriegerischen Handlungen. Feldreporter bekamen von ihrem Auftraggeber oft die Order bestimmte ‚stories‘ zu liefern. Oft wurden buchstäblich „blutige Bilder“ bestellt.

Redakteure/Editoren veränderten das gelieferte Material später im Studio oft so intensiv, dass eine völlig andere Information entstand. Die Recherchebedingungen von Kriegsreportern waren sehr beschränkt. Oft konnten sie nur sehr kurze Zeit in die Kampfzonen. Ihr Leben war in ständiger Gefahr, natürlich war ihre Arbeit von starker Angst geprägt.

Reporter konnten oft nur einen minimalen Ausschnitt des Geschehens dokumentieren. Im Konfliktgeschehen konnten Informationen nicht überprüft werden. Sie waren von wenigen Quellen, (Para-)Militärs oder einem Politiker abhängig. Im Kriegsgebiet herrschte ständig großes Chaos, Situationen waren undurchschaubar. Objektive Informationen gab es nicht.

Oft entstanden Berichte unter Androhung von Gewalt gegen Journalisten – sie waren gezwungen, bestimmte Inhalte zu vermitteln oder riskierten ihr Leben, wenn sie es nicht taten. So sind auch viele Fälle von manipulierter Information, gestellter Kampfhandlungen und absurden Fehlinformationen bekannt. Noch schwieriger war die Arbeit für ausländische Journalisten.

Und vor allem Zuschauer konnten die Wahrheit nie überprüfen, sie war (zu) weit entfernt.

Kriegszeugen

Das Projekt beschäftigte sich auch mit der Frage, wie Zivilisten und Soldaten Medien und mediale Propaganda während der Balkankonflikte wahrgenommen haben.

Dazu führte die Projektgruppe Gespräche mit Zeitzeugen, z.B. mit dem Kriegsveteranen Dragoljub Popović vom Veteranen-Verein Novi Sad. Seine Erfahrungen stehen stellvertretend für die vieler Menschen.

Viele serbische Männer wurden direkt nach der Schule eingezogen. Anfang der 90er Jahre waren zwölf Monate Dienstzeit Pflicht, aber viele Soldaten entschieden sich 1991, zu Beginn der Jugoslawienkonflikte, freiwillig länger zu dienen, weil durch die Medien verbreitet worden war, dass die 'serbische Minderheit' in Kroatien und Slowenien bedroht war. Die Verbreitung von Feindbildern durch Medien ging auch in den Sprachgebrauch über: z.B. wurden Kroaten "Ustascha" (Faschisten) und Bosniaken "Türken" genannt.

Offiziell wurden serbische Soldaten nach Slowenien, Kroatien und Bosnien geschickt, um den Angehörigen der ‚eigenen Ethnie' zu helfen. Eine Aufgabe der Armee war z.B. 1991 während des Konfliktbeginns Waffen im slowenischen Gebiet einzusammeln.

Vielen Soldaten war nach einer gewissen Zeit bewusst, dass Medien Unwahrheiten verbreiteten, meinten viele Interviewte. Sie verstanden auch, dass es Menschen gab, die Profit aus dem Krieg schlagen wollten.

Vielen war auch bekannt, dass Milošević und Tuđman – die serbischen und kroatischen Präsidenten zu der Zeit - Vereinbarungen getroffen hatten, die die Konflikte eher verschärften (wie die Aufteilung Bosniens 1991).

Medien meldeten oft Nachrichten von angeblichen Siegen der Serbischen Armee, die nicht zutrafen. Mit diesen Unwahrheiten sollte durch Medien die Kampfmoral der Menschen aufrecht erhalten werden. Natürlich wussten jedoch Viele, welche Städte tatsächlich eingenommen worden waren, und welche Nachrichten unwahr waren.

Alle Befragten berichteten, dass sie in Kriegszeiten existentiellere Probleme als das Hinterfragen von Medien (-manipulation) hatten. Im Krieg war alles Automatismus und sehr schnell, man hatte keine Zeit, um Dinge zu hinterfragen. Die Frontsituation war für Zivilisten und Soldaten völlig undurchsichtig und die Medien konnten berichten, ohne dass die meisten Menschen es überprüfen konnten. Die Soldaten an der Front waren zwar vor Ort, hatten aber wenig Möglichkeiten andere Nachrichten zu empfangen. Sie konnten lediglich mit Transistorradios Sendungen hören und zeitweise TV in den „freien Zonen“ sehen.

Als der Krieg vorbei war, wurden Soldaten zunächst als Helden gefeiert. Sehr bald jedoch fühlten sich viele ehemalige Soldaten von der Gesellschaft ausgeschlossen. Heute berichten einige offen darüber, wie sie durch Medien desinformiert wurden.

Fußball und Krieg

Fußball ist in jeglicher Hinsicht ein Großereignis. An kaum einem anderen Ort treffen sich regelmäßig so viele Menschen wie im Fußballstadion. Fußball beeinflusst den Alltag der Menschen unabhängig ihrer Herkunft, ihres sozialen Status, Geschlechts oder Alters. Fußball ist ein Milliardengeschäft, auch für die Medien. Fußball ist ein Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse.

Diese hohe gesellschaftliche Relevanz zeigt sich auch bei der Konstruktion von Identitäten. Zugehörigkeitsgefühle zu einer Mannschaft beeinflussen die eigene und kollektive Identität, vor allem in Abgrenzung zu Anderen. Diese Formen der Inklusion und Exklusion könnte zu nationalistischen Stimmungen führen und Rivalitäten hervorbringen. In extremen Fällen gipfelt das in Hass und Gewalt. Medien haben bei der Reproduktion von nationalistischen Stimmungen eine wichtige Rolle.

Denn die Symbole und die Sprache, die zur Konstruktion des Eigenen und des Fremden beiträgt, werden häufig durch Medien transportiert.

Besonders für die Länder des ehemaligen Jugoslawien ist das ein wichtiges Thema. Die nationalistische Gewalt in den Fußballstadien hat hier eine lange und traurige Tradition. Die Stadien waren die ersten öffentlichen Orte, an denen sich der Zusammenbruch Jugoslawiens abzeichnete.

So gilt das wegen Krawallen nicht angepfiffene Spiel Dinamo Zagreb gegen Roter Stern Belgrad (13.Mai 1990) im Maksimir-Stadion als symbolischer Beginn des Krieges. Die Berichterstattung nach dem Spiel ist gleichermaßen symbolisch: Während die kroatischen Medien den Fans aus Belgrad die Schuld gaben, galten den Medien aus Belgrad die Fans aus Zagreb als Auslöser der schweren Ausschreitungen.

Auch nach den Konflikten auf dem Balkan hat sich die Lage nicht entspannt. Die Länderspiele zwischen den Nachfolgestaaten sind immer noch geprägt vom tiefen Hass der einstigen Kriegsparteien. Auf der einen Seite fördern die Medien nationalistische Stimmung und Gewalt, indem exzessiv darüber berichtet wird und auf der anderen Seite werden durch gezielte Manipulation bestimmte gewünschte Bilder erzeugt bzw. unerwünscht Bilder verhindert.

In dem Projekt sollte in erster Linie der Zusammenhang zwischen Fußball und Nationalismus verdeutlicht werden. Neben der Analyse von Presseberichten und Dokumentationen haben Interviews mit zwei Personen, welche den 13.Mai 1990 in Zagreb miterlebt haben, die inhaltliche Arbeit ermöglicht. (Text von Holger Raschke)